1998 wurde in der dänischen Stadt Aarhus die so genannte Aarhus-Konvention vom damaligen Umweltminister Martin Bartenstein (ÖVP) unterzeichnet. Dieses Übereinkommen ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der allen BürgerInnen mehr Rechte im Umweltschutz zuschreibt. 2005 wurde sie vom österreichischen Parlament ratifiziert.
Die Aarhus-Konvention steht auf drei zentralen Säulen:
- Artikel 4: BürgerInnen sollen möglichst freien Zugang zu Umweltinformationen erhalten.
- Artikel 6-8: BürgerInnen sollen an umweltrelevanten Entscheidungsverfahren mitwirken können.
- Artikel 9: BürgerInnen sollen freien Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten bekommen.
Klagen für BürgerInnen immer noch erschwert
Aber: Ausgerechnet die dritte zentrale Säule, der freie Zugang von BürgerInnen zu Gerichten bei Umweltrechtsverstößen des Staates und Privater (Artikel 9), ist immer noch offen! Aus Anlass einer Beschwerde des Ökobüros kam das Aarhus-Komitee in Genf schon im Jahre 2012 zu diesem klarem Befund. Bei der 5. Vertragsstaatenkonferenz am 30. Juni dieses Jahres wurde diese Rüge schließlich bestätigt – und Österreich zur laufenden Berichterstattung über die Umsetzungsschritte verpflichtet.
EU-Mahnung im Juli
Am 11. Juli 2014 erreichte Österreich nun auch das Mahnschreiben der EU-Kommission (Vertragsverletzung Nr. 2014/4111), Artikel 9 der Aarhus-Konvention (s.o.) endlich umzusetzen. Sollte die österreichische Regierung wiederum keine Maßnahmen ergreifen, droht Österreich nach einem zweiten Mahnschreiben eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
keine artikel 9-umsetzung – was das bedeutet:
- Erhalt der Naturlandschaft und Arten: Nehmen wir einmal an, die Gemeinde XY beschließt eine Umwidmung von Grünland in einem Europaschutzgebiet in Bauland. Nun handelt es sich aber zufällig um das Kerngebiet der seltenen Zwergohreule. Die Änderung wird als unerheblich abgetan, weder eine strategische Umweltprüfung noch eine Naturverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Das Raumplanungs- und das Naturschutzgesetz (des Landes) sehen – im Widerspruch zur Artikel 9 Aarhus-Konvention keine Klagsrechte von Umweltorganisationen vor. Umweltorganisationen müssen sich unmittelbar auf EU-Recht berufen und unnötig Prozessrisken übernehmen.
- Reine Luft und Gesundheit: Das Immissionsschutzgesetz-Luft gibt den Umweltorganisationen oder betroffenen BürgerInnen derzeit kein Klagerecht. Die Feinstaubbelastung wird nicht mit allen zur Verfügung stehenden Maßnahmen bekämpft, die Maßnahmen-Verordnung des Landeshauptmanns ignoriert nahezu den Verkehr als Verursacher. Beispiel: Feinstaub-Familien-Klage gegen die Stadt Graz.
- Erhalt natürlicher Flußläufe: Der Landeshauptmann genehmigt ein Wasserkraftwerk in einem Natura 2000-Gebiet, obwohl die Europäische Kommission als auch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) darin eine Verletzung der Wasserrahmen-Richtlinie sehen, denn die zusätzliche Energie wiegt die Zerstörung des natürlichen Flusslaufs nicht auf. Die Kapazität liegt unterhalb der UVP-Schwelle. Aufgrund des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich wird das Projekt mit wasserrechtlichem Auftrag angepasst. Richtig wäre jedoch der völlige Entzug der Genehmigung. Das Wasserrechtsgesetz gibt den Umweltorganisationen ohne Artikel 9-Umsetzung (s.o.) keine klare Handhabe. Umweltorganisationen
können so beispielsweise die Schwarze Sulm nicht effektiv schützen.