Ulrike Lunacek: Vizepräsidentin des Europa-Parlaments
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Die Freihandelsabkommen TTIP und CETA haben eines gemeinsam: obwohl sie Auswirkungen auf nahezu alle verhandelnden Länder und deren BürgerInnen haben, werden sie geheim verhandelt. So auch das neueste internationale Abkommen TiSA.
TiSA (Trade in Services Agreement) ist ein Abkommen zur Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen zwischen 23 Staaten, das seit April 2013 verhandelt wird. Für die EU-Mitgliedstaaten führt die Europäische Kommission die Verhandlungen. Die Treffen finden in der australischen UN-Botschaft in Genf statt. Den Vorsitz führen abwechselnd die EU, Australien und die USA. Durch TiSA sollen nationale Dienstleistungsmärkte – auch öffentliche Dienstleistungen wie z.B. Bildung, Post, Abfallentsorgung, Nahverkehr, Elektrizität, Spitäler, aber auch Dienstleitungen im Bereich Datenschutz! – für ausländische Konzerne geöffnet werden.
Die Verhandlungen werden hinter verschlossenen Türen geführt. Und wie schon bei TTIP und CETA droht die (weitere) Liberalisierung und Privatisierung von Wasser, Abfallentsorgung, Stromversorgung, Bildung, im Gesundheitswesen, dem öffentlichen Nahverkehr, Versicherung, Telekommunikation, Post, digitalem Handel und im Finanzbereich.
Auch Dienstleistungen in den Bereichen Energie und Umwelt sind betroffen. Unzählige Beispiele aus der Vergangenheit belegen die großen Gefahren hinter der Öffnung von Dienstleistungsmärkten:
Eine weitere Gefahr birgt TiSa für die Rekommunalisierung, also das Rückgängigmachen von privatisierten Dienstleistungen. Würde TISA beschlossen, wäre es unmöglich, beispielsweise die Privatisierung von Wasser wieder rückgängig zu machen.
Beispiel Paris: Dort wurde die Wasserversorgung privatisiert, enorme Preissteigerungen von Wasser waren die Folge. 2010 entschied man sich infolgedessen, die örtliche Wasserversorgung wieder der Pariser Verwaltung zurückzugeben. Der Wasserpreis sank. Aber: Hätte es TiSA bereits 2010 gegeben, wäre diese Praxis der Rekommunalisierung nicht erlaubt gewesen.
An den Gesprächen zu TiSA, ursprünglich ein Vorschlag der USA, nehmen 23 WTO-Mitglieder teil, die gemeinsam für 70 % des weltweiten Handels mit Dienstleistungen verantwortlich sind – und die sich selbst „Really Good Friends of Services” nennen: Australien, Chile, Costa Rica, Europäische Union/EU (die als ein Mitglied zählt), Hongkong, Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Korea, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Peru, Schweiz, Taiwan, Türkei, USA, Liechtenstein und Paraguay. Aber: Das Abkommen wird außerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) verhandelt und ebnet somit den Weg für zukünftige plurilaterale (= begrenzte Mitgliederzahl) statt multilaterale (= unbegrenzte Mitgliederzahl) Abkommen.
Wichtige öffentliche Dienstleistung wie die Bildung, Wasser, Energie, das Gesundheitswesen und die Sozialversicherungssysteme könnten von TiSA betroffen sein. Das bedeutet massive Nachteile für Kommunen und Menschen. Denn mit fixen internationalen Regeln könnten die Kommunen nicht mehr frei entscheiden, wie und in welcher Weise öffentliche Dienstleistungen erbracht werden.
Zudem ermöglicht TiSA wie schon bei TTIP Konzernen (zum Beispiel dem Gensaatgut-Hersteller Monsanto), entgangene Umsätze aufgrund von nationalen Gesetzgebungen (zum Beispiel dem Verbot von Genmais) einzuklagen.
Ausländische Unternehmen = inländische Unternehmen
TISA will, dass ausländische DienstleistungserbringerInnen die gleichen Rechte, also die "gleichen Wettbewerbschancen", bekommen sollen wie heimische – mit weitreichenden Folgen. Denn dadurch hätten ausländische AnbieterInnen auch im gleichen Umfang Anspruch auf staatliche Subventionen wie inländische. Zudem dürften ausländische Dienstleister ihre Arbeitskräfte aus dem Herkunftsland mitbringen. Diese könnten dann nach den Lohnregelungen des Herkunftslandes bezahlt werden.
Große internationale Konzerne wie die Deutsche Telekom, Siemens, der US-Konzern Walmart u.a. Ihr Ziel: möglichst viele Markthemmnisse beseitigen, weitere Märkte erschließen und Wachstum erzielen.
Die Ergebnisse von TiSA betreffen theoretisch nur die Staaten, die mitverhandeln. Die Realität sähe anders aus. Für andere Staaten und Staatengruppen wäre es nahezu unmöglich, an den geltenden TISA-Regelungen vorbeizukommen. Schwächere und ärmere Staaten müssten sich an Regeln halten, die sie nicht mitausgehandelt haben. Es ist davon auszugehen, dass die ausgehandelten Regeln nicht zum Vorteil von Entwicklungs- und Schwellenländern sein werden, sondern dass diese Staaten eher unter Druck geraten.
Bislang gab es sieben Verhandlungsrunden. Bis Jahresende sollen noch drei weitere Verhandlungsrunden stattfinden. Wann ausverhandelt ist, weiß man nicht. Es gibt keinen (offiziellen) Termin zum Ende der Verhandlungen.