Drucken Versenden AAA
Schriftgröße
Kommentieren

Konzern leitete Plastik in die Donau

Die Quelle vielen Übels: Durch diesen Kanal geht am Borealis-Standort an der OMV-Raffinerie Plastik-Rohstoff in die Schwechat, und später in die Donau verloren.
Die Quelle vielen Übels: Durch diesen Kanal geht am Borealis-Standort an der OMV-Raffinerie Plastik-Rohstoff in die Schwechat, und später in die Donau verloren. / Bild: (c) Daniel Novonty 

Forscher fanden in Niederösterreich große Mengen Plastik in der Donau, ohne Quelle zu kennen. "Presse"-Recherchen führen zu Borealis.

 (DiePresse.com)

Wien. Seit dem Film „Plastic Planet" weiß die Welt, dass die Meere voll sind mit Plastikmüll. Vor wenigen Wochen veröffentlichten Wiener Forscher eine Studie, wonach ein Teil davon aus Flüssen wie der Donau stammt. Recherchen der „Presse" zeigen nun, dass auch Österreich seinen Scherflein zum weltweiten Plastikproblem beiträgt. Die Spur führt - wenn auch nicht ausschließlich - zum österreichisch-arabischen Chemieriesen Borealis.

Erst kürzlich waren die Wissenschaftler der Universität Wien mit einer Studie zur Verbreitung von Fischlarven in Europas zweitlängstem Fluss an die Öffentlichkeit gegangen. Neben Fischlarven gingen dem Team um Aaron Lechner und Hubert Keckeis jedoch Kunststoffe ins Netz. Die Messungen fanden 2010 und 2012 statt. Bemerkenswert schien, dass im Durchschnitt 79,4 Prozent des Plastiks industrieller Rohstoff (Pellets, Flakes, Spherules) war, der erst zu Endprodukten verarbeitet werden muss. Der Rest war Müll. Laut vorsichtiger Hochrechnung der Autoren ergießen sich so täglich 4,2 Tonnen Plastik ins Schwarze Meer. Das sind 1533 Tonnen im Jahr. Plastikteile, die kleiner als einen halben Millimeter und größer als 5 Zentimeter sind, sind dabei gar nicht berücksichtigt. Die Quellen der Verschmutzung nennt die Studie nicht.

Bilder: Der Weg des Plastiks in die Donau

Alle 7 Bilder der Galerie »

Borealis sanierte Schwachstellen

Heute ist klar: Eine von ihnen ist ein dickes Kanalrohr, das, zwei Kilometer bevor der Fluss Schwechat in die Donau mündet, an die Oberfläche tritt (siehe Foto). Am anderen Ende des Rohrs steht das Betriebsgelände von Borealis, das direkt an die Raffinerie Schwechat anschließt. Der Konzern setzt jährlich 7,5 Mrd. Euro um und ist weltweit die Nummer sieben in der Produktion von Polyethylen und Polypropylen. 36 Prozent des Unternehmens gehören der OMV, der Rest dem Petrochemiefonds der Arabischen Emirate.

Als man 2010 bemerkte, dass die Wissenschaftler die Donau untersuchten, beauftragte Borealis die Forscher mit einer bis heute geheimen Exklusivstudie, die das eigene Abwasser analysierte. Anrainer und Fischer hatten zuvor große Mengen Plastik-Rohstoff in Schwechat und Donau gesichtet.

Heute mit den Rechercheergebnissen konfrontiert bestätigt Borealis ein Problem. Ein spezieller Kamerawagen identifizierte demnach Schwachstellen im Kanalsystem des Betriebs, auch ein Konstruktionsfehler an der Abscheideanlage sei entdeckt worden. Zudem gab es am 6. Juli 2010 einen Starkregen, der große Mengen Plastik-Rohstoff freisetzte. Wie viel genau, das wisse man nicht. Als Konsequenz habe Borealis das Kanalsystem und die Anlagen um vier Mio. Euro erneuert und das Umweltministerium informiert.

Ebendort ist der Wissensstand ein anderer. Wer für die Verschmutzung verantwortlich ist, sei ungeklärt. Und auf die Exklusivstudie von Borealis habe man bis heute keinen Zugriff.

Unabhängig davon, wer hinter den Kulissen wen informierte: Der Öffentlichkeit hat Borealis die Sache verschwiegen. Dabei befindet sich der Kunststoff hier und flussabwärts durch den Verzehr von Fischen und Wildvögeln längst in der Nahrungskette. Auch die Sanierungen sind zu hinterfragen. Bei einem Lokalaugenschein am Kanal fand die „Presse" nach wie vor Plastik-Pellets und -Spherules. Die Fischer berichten von Plastikteilchen am Ufer und die Forscher der Universität haben nach den Umbauten weitere Belastungen mit Plastikrohstoff gemessen. Allerdings in geringerem Ausmaß. Woher das aktuelle Material stammt? Für Borealis ist es „noch zu früh, dazu Stellung nehmen zu können".

Plastik-Lobby attackiert Forscher

Trotzdem kann man Borealis nicht allein die Verantwortung übertragen. Messungen, die oberhalb der Einmündung der Schwechat in die Donau stattfanden, zeigen ebenfalls eine Belastung des Wassers mit Industrie-Plastik. Woher es stammt, ist unbekannt.

Die Kunststoff-Lobby von Plastics Europe hält die Aufregung für übertrieben und greift dafür die Wissenschaftler an. Ihr Österreich-Repräsentant, Heinz Schratt, bezeichnet die von unabhängigen Forschern gegengeprüften Berechnungen als „spaßig". Den Autoren gehöre „für die Statistik eine aufs Händchen gegeben". Obwohl Schratt vom Borealis-Zwischenfall weiß, vermutet er im Gespräch mit der „Presse", dass das gefundene Plastik wohl beim Umladen in Häfen verloren gehe. Und überhaupt: „Mengenmäßig ist das alles kein großes Problem."

>> Link zur Studie der Universität Wien

Testen Sie "Die Presse" 3 Wochen lang gratis: diepresse.com/testabo

Mehr aus dem Web

169 Kommentare
 
12 3 4

Hoffentlich wird dieser Vorfall restlos aufgeklärt!

Wenn der Vorwurf stimmt, liegt ein schweres Umwelt-Verbrechen vor und dagegen muß (!) hart vorgegangen werden!

Ich liegbe den Vordenker der Nation, den GRÖLAZ aus Radlbrunn

und seinen Umweltlandesrat. Nichts unternommen, weil keine Gesundheitsgefährdung, daher auch nichts vertuscht. Somit hamma uns auch nichts vorzuwerfen.
Die gehören mit einer Amts / Organ-haftungsklage niedergemacht!

Ein Wahnsinn

Und ich muss bei meinem Zweimannbetrieb für die 4 Spraydosen Datenblätter aufliegen haben. Und vermutlich wegen dem Handwaschbecken das ohnehin schon immer da war, mußte ich als erstes beim Abwasserverband persönlich erscheinen. Das Problem bei unseren Politiker besteht darin, das die selbst durch ihren Gehirnschwund den Gehirnschwund selbst nicht merken. Traurig aber wahr.

In NÖ ist alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist.

Kunststoffe verhalten sich im Labor bei der Prüfung inert. Im Eluat finden sich keine Spuren, keine Verunreinigung. Somit ist aus Behördensicht Kunststoff kein Schadstoff und kein Abfall. Manche haben Kunststoffe auf Landwirtschaftlichen Flächen eingeackert. Für Behörden fehlt die Handhabe dagegen. Auf Langzeitfolgen schaut man nicht. Das gleiche Problem findet sich auch bei der Deponierung von Altasphalt im Wald unter dem Titel "Forststraßensanierung mit Recyclingmaterial" Garantiert findet auch dieses Material über einen langen Zeitraum den Weg ins Schwarze Meer.

Ich kann nicht glauben, daß in NÖ unter einem Pröll etwas vertuscht wird.

Erwin Pröll würde vor uns allen nie etwas vertuschen!!!

ganz einfach: ein 1 mm Sieb beim Abfluß montieren ...

dann sieht man was hier rauskommt.
Eigentlich gehört ja eine laufende Analyse des Abwassers eines Industriebetriebes vorgeschrieben.

Müssen wir mit unserer Gemeinschaftsbiokläranlage am Land für ein paar Häuser seit vorigem Jahr alle 14 Tage eine Wasserprobe nehmen (und die tieffrieren wird alle 2 Monate abgeholt - hat seit 20 Jahren noch nie Abweichungen gegeben) und bei so einer Industrieanlage schaffen sie es nicht?

Ein Sieb vor den Abfluß und dann geht nix mehr durch.


Natürlich kann sich das Umweltministerium bei so etwas nicht zuständig fühlen. Ist es doch die klassische Art und Weise, wie österreichsche Politiker sich unangenehmen Problemen entziehen: man erklärt sich für nicht zuständig. Nur so kann man nichts falsch machen. Und auch deshalb später nie zur Verantwortung gezogen werden. Wenn alles den Bach - oder wie in diesem Falle den Fluss - runter geht.


Ein kluger Fachminister hält sich lieber mit Themen im Gespräch, für die er erst gar nicht zuständig ist. Wie unser Umweltminister es unlängst mit seinen Bemerkungen zu Heiratssachen und anderen Umständen getan hat.

Ist doch herrlich, einfach den Schlapfen aufzumachen und so die Journaillie abzulenken. Darüber, dass im eigenen Verantwortungsbereich ziemlich tote Hose herrscht.

Wobei der neue Umweltminister doch auch im eigenen Fachgebiet aufhorchen lässt. Nicht mit Inhaltlichem, sondern mit der Verpackung. Dem Mascherl, das er dem eigenen ministeriellen Nichts, umhängt: er hat nämlich etwas erfunden. Als „Minister für ein lebenswertes Österreich“, will er ab jetzt bezeichnet werden.

Soll noch einer sagen, der Umweltminister weiß nicht, wie er seine Arbeitszeit totschlagen kann. Nein, nein, der tut schon was. Nicht unbedingt für die Umwelt. Aber wenigstens fürs eigene Marketing.

Ein klassischer Österreicher Spitzenpolitiker eben. Null Verantwortung übernehmen, aber um so fescher unterwegs sein.

Re: Natürlich kann sich das Umweltministerium bei so etwas nicht zuständig fühlen. Ist es doch die klassische Art und Weise, wie österreichsche Politiker sich unangenehmen Problemen entziehen: man erklärt sich für nicht zuständig. Nur so kann man nichts falsch machen. Und auch deshalb später nie zur Verantwortung gezogen werden. Wenn alles den Bach - oder wie in diesem Falle den Fluss - runter geht.

Wie immer in Österreich genau so ist es.

Da hilft nur eines! Den Betrieb sperren bis alles restlos aufgeklärt ist!

Auch als Zeichen für alle Anderen! Die Betriebsstättengenehmigung gehört sofort entzogen und erst wieder erteilt wenn alle Schäden gedeckt und alle Fehlerquellen behoben wurden! Nur so kommt man dieser Mafia an!

Das Umweltministerium fühlt sich nicht zuständig...

Wofür ist denn sonst ein Umweltministerium da? Dieser Vorfall betrifft doch eindeutig die Umwelt. Und das auch nicht zu knapp!

Bzw. betrifft es den Bereich Wasser-, Abfallwirtschaft, Fischerei, Natur- und Landesschutz. Und dafür ist doch eindeutig das Umweltministerium oder viel mehr Lebensministerium zuständig!

...ohne Worte

Vorstand ohne weiter Zahlungen entlassen. Borealis auf milliarden Euro Schadenersatz verklagen. Den Verantwortlichen inkl. Politikern und Beamten einen Plastikfisch sevieren und zum essen zwingen!

OMV

So wie die OMV-Tochter Borealis mit diesem Zwischenfall öffentlich umgeht, ist das keine Empfehlung für einen Vertrauensvorschuss in der sensiblen Angelegenheit "Schiefergas-Fracking", werter Herr Roiss.

Ich höre nichts vom obersten Landesfuzzi!

Er ist doch sonst auch immer so wortgewaltig. Hat er sich mit dem BP am Klo versteckt?

Dieses Kunststoffgranulat ist faktisch inert

Also dasselbe wie das Steingranulat (Schotter) das die Donau mitfuehrt.
Hier wird wieder ein Nichtskandal mittels kuenstlichen Shitstorm aufgebauscht.

Re: Dieses Kunststoffgranulat ist faktisch inert

Leider haben sich viele anscheinend inerte Materialien erst viel später als gefährlich herausgestellt.
Vor gut 60 Jahren hätte niemand geglaubt, dass DDT sich tausende Kilometer vom Einsatzort in Seevögeln massiv anreichern könnte.
Kunststoffgranulate können, wie sich hier zeigt, Fischbrut töten.
Die Kampfhundmentalität "der tut ja nix" bei technischen Innovationen ist jedenfalls bedenklich.

Wenn

hier irgend jemand wüsste wie es bei einem Unfall/Notsituation in der chemischen Industrie zugeht, dann wären lustige/erschütternde Anekdoten kommentiert.
Daher ich keine gefunden habe: PE, PP, etc. sind unser kleinstes Problem. Anekdoten erspar ich mir. (Ist halt so. Kaufens die Extra beim Fleischer nicht beim Hofer dann gibts weniger Kunststoffmüll).

erst muss man die Fakten recherchieren, dann kann man sich über Formalien aufpudeln...

was ist wirklich passiert und wie gefährlich ist das?
dieses unreflektierte herumreden ist nur armselig und verwirrt einfache Gemüter - sieht man ja an den Kommentaren.

Re: erst muss man die Fakten recherchieren, dann kann man sich über Formalien aufpudeln...

"..sieht man ja an den Kommentaren.."

Ja, besonders an Ihrem...

Umweltverbrecher

Wo ist denn hier das Vergehen? Bei einem Hochwasser sind Plastikkugerl in die Donau geronnen. Die hätte man wohl kaum wieder einfangen können, schon gar nicht die ach so uninformierte Behörde. Vielleicht sollte man prophyliktisch auf de Westautobahnen einen Plastikfeinstaub-80er einführen.

Förderalismus, wie die Politiker ihn verstehen!

"... Im Umweltministerium fühlt man sich für die Sache nicht unmittelbar zuständig, verweist auf die Abteilung Wasserwirtschaft des Landes Niederösterreich, die sich den Fall mit der BH Wien-Umgebung teilt..."

Sind die Österreicher geistig völlig derangiert, dass sie sich derartige Zustände widerspruchslos gefallen lassen?

Was muss noch passieren, dass die Leute aufwachen? Rattengift im Mikrowellenfressen?

Re: Förderalismus, wie die Politiker ihn verstehen!

"...geistig völlig derangiert...":

You just made my day. Ich hau mich weg!

Das land Niederoesterreich hat schon vor vier jahren davon gewusst das diese firma plastik in die Donau laesst und hat nichts unternommen weil es nicht zu gefaehrlich ist

Es ist zum aus der haut fahren mit diesen umweltverbrechern
und die behoerden schauen zu!!
Moecht nicht wissen wie viel da wieder geronnen ist!!
ich mein natuerlich plastik in die Schoene Blaue Donau

Beamtenmisthaufen!

Diese Typen sind sogar dann noch vollkommen untätig, wenn es sich um eine schwere Umweltverschmutzung handelt.

Borealis schweigt?

Nach so viel Medienrummel ist es schon seltsam, daß Borealis komplett schweigt. Dies zeugt nicht gerade von gekonnter oder gelungener Öffentlichkeitsarbeit! Ich würde mir schon erwarten, daß der Konzern zumindest jetzt irgendwelche Initiativen in Punkto Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz setzt, aber nein: Borealis bleibt der verschwiegene Geheimnistuerkonzern, der er schon immer war - in diesem Fall zum eigenen Schaden.

Was für eine Ausrede

Nach einem Zwischenfall im Jahr 2010 läuft, obwohl im Jahr 2011 saniert, im Jahr 2014 offenbar immer noch Plastik aus. Sehr plausibel ist es nämlich nicht, dass ausgerechnet gerade jetzt ein paar vier Jahre alte Reste gefunden wurden. Scheinbar musste man aber so lange zurückgehen, um einen passenden Starkregen zu finden, um das jahrelange kostengünstige Entsorgen von Rückständen irgendwie zu kaschieren. Na ja, die Ausreden waren auch schon mal besser. Traurig ist nur, dass man es im schönen Ösiland nicht einmal mehr für nötig erachten muss, ordentliche, stichhaltige Ausreden zu generieren... ;-)

vors Gericht mit den Verantwortlichen

und hart bestrafen!!!!
Da fällt mir gerade ein dass wir ja in Österreich sind, da ist nix mit bestrafen und so. Schade

 
12 3 4

Wetter

  • Aktuelle Werte von
    06:00
    Wien
    15°
    Steiermark
    12°
    Oberösterreich
    12°
    Tirol
    13°
    Salzburg
    16°
    Burgenland
    15°
    Kärnten
    12°
    Vorarlberg
    12°
    Niederösterreich
    13°

Jetzt Panorama-Newsletter abonnieren

Der tägliche Überblick mit den wichtigsten Meldungen zu den Themen Chronik, Wien und Umwelt. Kostenlos.

Newsletter bestellen

Code schwer lesbar? » Neu laden

AnmeldenAnmelden